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An Fronleichnam ist es Tradition: eine Prozession, die sich durch die Straßen schlängelt. In diesem Jahr wird dies zum ersten Mal ausfallen. Das schmerzt auch Pater Rudolf Theiler. Aber wenigstens findet der Gottesdienst statt. Von Christiane Tangermann Ebern – „Das ist einmalig, das ist nie dagewesen, dass die Fronleichnamsprozession abgesagt wurde“, sagt Pfarrer Pater Rudolf Theiler von der Pfarrei Sankt Laurentius in Ebern. Damit drückt er die große Enttäuschung seiner Kirchengemeinde aus. Nach einer langen Zeit des Verzichts auf menschliche Nähe ist die Sehnsucht nach Gemeinschaft und Gemeindeleben stark. Dabei gibt die traditionelle Fronleichnamsprozession ein so prachtvolles, buntes Bild ab, wenn sich der Zug durch Ebern bewegt. Vornweg gehen die Kommunionkinder, die Blumen streuen. Dann folgen die Jugendgruppen, wie die Pfadfinder. Die Ministranten schwenken den Weihrauch. Das Blasorchester Ebern, das in diesem Jahr sein 60. Jubiläum feiert, ist immer mit dabei. Bischof Franz Jung ehrte 2019 einige Musiker, die bereits seit 50 Jahren in den Fronleichnamsprozessionen mitwirken. Unter einem Baldachin, auch der Himmel genannt, befindet sich das, was das Besondere an dieser Prozession ist: eine Monstranz, ein wertvolles Gefäß, in dem die geweihte Hostie mitgetragen wird. Die Monstranz zu halten ist eine Ehrenaufgabe. Theiler schätzt die Zahl der Teilnehmer an der jährlichen Prozession auf im Schnitt 300. Die Straßen sind mit Fahnen und Blumen geschmückt. Nach der Monstranz folgt der Bürgermeister mit der Amtskette und der Stadtrat. Es schließen sich christliche und weltliche mit Fahnen umrahmte Vereine an, wie die örtliche Feuerwehr, das Kolpingwerk und Frauengruppen. Die Prozession ist sicherlich ein Fest für Augen, Ohren und Herz. Theiler sagte, es könne in Städten wie Bamberg, in denen es viele Touristen gibt, manchmal vorkommen, dass es mehr Zuschauer an den Straßenrändern als Teilnehmer an der Prozession gibt. Den ersten, von den Familien Gerstenkorn und Stäber geschmückten Altar erreicht die Prozession von der Kirche aus am „Weltladen“. Den Altar am Krankenhaus, wo besonders für die Kranken gebetet wird, hat Familie Genslein hergerichtet. Der Altar am Kindergarten wird vom Kindergartenteam geschmückt. Der Zug bewegt sich dann durch die Häffner Gasse zu einem von der Familie Holzinger nur mit Rosen geschmückten Altar. Besonders für Kinder ist es erfahrungsgemäß eindrucksvoll, mit vielen anderen einen Gottesdienst im Freien zu feiern und singend durch die Straßen zu ziehen. Heute sieht die Prozession anders aus als noch in den 70er Jahren. Weniger Menschen ziehen noch mit. Auch steht heute in erster Linie die Verehrung des Allerheiligsten und das persönliche Glaubenszeugnis, das Beten und Singen im Mittelpunkt, erklärte Hafenecker, Leiter des Heimatmuseums. Der Ursprung geht auf eine Vision der Ordensfrau Juliana von Lüttich im 13. Jahrhundert zurück. Der Überlieferung nach sah sie eine dunkle Stelle in der Vollmondscheibe und erkannte darin das Fehlen eines besonderen Festes im Kirchenjahr zu Ehren der Eucharistie (Abendmahl). Papst Urban IV. erhob es zum Fest für die ganze Kirche. Nach katholischem Glauben wandeln sich Brot und Wein in die „sakramentale Gegenwart“ von Leib und Blut Christi, sobald der Priester die biblischen Abendmahls- Worte spricht. Christi Gegenwart bleibt im Brot und Wein über den Gottesdienst hinaus bestehen. In der geweihten Hostie verlässt Christus bei der Prozession das „fanum“ (lat. Tempel, geweihter Ort) und durchzieht das „profanum“ (ungeweihten Boden). Das heißt, Christus selbst wird durch die Stadt geführt. Die Menschen hatten im Mittelalter so große Ehrfurcht vor der Hostie, dass man kaum wagte, sie zu empfangen. Schon früh wurden jene kostbaren Schau-Gefäße (Monstranzen) angeschafft, in denen die Hostien zur Anbetung auf dem Altar aufgestellt werden und die Menschen sie sehen konnten. In Ebern gehören Prozessionen seit Jahrhunderten zum kirchlichen Leben. Der Vikar Konrad Kautor gab im 15. Jahrhundert 40 Gulden, sodass an allen Sonntagen nach der Vesper – außer an den hohen Feiertagen – eine Prozession um die Kirche herum, dann zum Ossarium und zurück in die Kirche zum Altar der Gottesmutter gehalten werden sollte. 1482 genehmigte Bischof Rudolph diese Andacht und gewährte einen 40-tägigen Ablass für alle Förderer und Teilnehmer dieser Prozession. Die 40 Gulden wurden gegen Zins verliehen und man legte genau fest, dass der Kaplan einen Gulden erhält, dass ein Viertel Gulden an die Kirche, an den Schulmeister und an denjenigen geht, der während der gesamten Prozession die Glocken läutete. Luther lehnte die Fronleichnamsprozession ab, da es für ihn keine entsprechende biblische Grundlage gab. Ende des 16. Jahrhunderts wurde aber im Konzil von Trient die Prozession als Element des gelebten Glaubens bestätigt und wurde seitdem noch stärkere beachtet. Mit größerem Aufgebot und Aufwand zeigten die Katholiken ihren Glauben. Subdiakone, Diakone, Priester, Nonnen, Mönche und Messdiener zogen mit Fahnen, Schellen und Weihrauch, begleitet von den Honoratioren und Erstkommunikanten, geordnet nach Ständen, Verbänden und Vereinen. Betend und singend begleiteten sie das Allerheiligste durch festlich geschmückte Straßen. Maria Magdalena Müller, Tochter des letzten Eberner Stadtkirchners, berichtete 2002, dass die Fronleichnamsprozession in der Nazizeit nicht durch das Zentrum der Stadt ziehen durfte. Die Altäre wurden dann an folgenden Orten aufgebaut: der erste Altar am Ossarium, der zweite am Käppele, gegenüber der heutigen Realschule (nicht mehr vorhanden), der dritte am Käppele in der Lützeleberner Straße und der vierte Altar beim Haus von Baptist Einwag. Nach dem Krieg kam es zu der folgenden Regelung durch Dr. Haller, Pfarrer in Ebern: O erster Altar am Finanzamt – er wurde von der Familie MartinMüller gestaltet; O zweiter Altar bei Haus von Adam Schmitt (mit dem Bild des Heiligen Laurentius aus dem Pfarrhaus, das heute im Altarraum hängt); O dritter Altar bei Familie Steppert (mit dem Bild des auferstandenen Christus); O vierter Altar, befindlich bei Familie Merkl mit einem silbernen Kreuz und Leuchter.

Die Entscheidung, alle Prozessionen undWallfahrten 2020 wegen der Covid19-Pandemie abzusagen, ist der Diözese Würzburg sicherlich nicht leichtgefallen. Aber der Schutz der Teilnehmer vor Infektion hat Vorrang – und auch Pfarrer Theiler wird deshalb Gottesdienste weitgehend im Freien abhalten. Er bedauert jedoch, dass auch unter Einbehaltung der Abstands- und anderer Auflagen nur bis 50 Personen an einem Gottesdienst im Freien teilnehmen dürfen, während bei weltlichen öffentlichen Veranstaltungen bis zu 100 Personen und bei politischen Demonstrationen sogar bis zu 1000 Personen zugelassen sind.

Die Kanonen schweigen

Heute dürfen Kanonen während der Fronleichnamsprozession nicht mehr schießen. Ingo Hafenecker berichtet, wie es dazu kam, dass der lange gepflegte Brauch des Abschießens von Kanonen während der Prozession eingestellt wurde. Manche älteren Teilnehmer vermissen heute diese Böllerschüsse aus den beiden der Stadt gehörenden Kanonen aus dem 19 Jahrhundert. Man könnte meinen, dieses Böllerschießen sei stets als Ehrensalve für den himmlischen König gedacht gewesen, so wie es bei den Gebirgsschützen ist, die an jedem der vier Altäre beim Segen Salut schießen – doch dieser Gedanke wäre fatal. In Ebern hatte das Böllerschießen einen ganz profanen Grund: Es war ein akustisches Signal, um bei dem langen Zug der Gläubigen mit ihren Fahnen, Bildern und Figuren den hinten marschierenden anzuzeigen, wann sie sich vor dem Evangelium bekreuzigen und während des eucharistischen Segens knien mussten – so wie es im Gottesdienst die Wandlungsglocke tut. Bis Ende der 1950er Jahre verwendete man dazu zwei fahrbare Böllerkanonen, die von einem Altar zum anderen gefahren wurden. Dann passierte das Missgeschick, dass einmal der Kanonier die vom ersten Schuss noch heiße Kanone zu früh nachlud, so dass sich das Pulver entzündete und der Schuss den Mann so verletzte, so dass er einen Arm verlor. Daraufhin durfte mit den Kanonen nicht mehr geschossen werden und man schaffte einen einfachen, stationären, TÜV-geprüften Böller an, der seitdem auf dem alten Sportplatz per „Fernbedienung“ mittels Zugschnüren von eigens geprüften Schützen abgeschossen wurde. Die Möglichkeiten der Kommunikation sind heute mit Handy kein Problem mehr, so dass die Böller ausgedient haben; jetzt liegen beide verpackt im Bauhof.

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